Die Nacht war wieder wenig erholsam. Da ich die Herberge für mich alleine hatte, war zumindest kein Schnarcher schuld – es sind diese vollkommen beschissenen, viel zu dünnen Gummimatratzen. Ich habe echt noch nie so unbequem geschlafen. Da ich sehr früh wach war, konnte ich noch vor Sonnenaufgang losziehen. Da ich auch niemanden stören würde, ging der Packvorgang diesmal sehr viel schneller. Um kurz nach 7 Uhr war ich bereits unterwegs.
Ich wollte nicht bereits an einer Straße starten und hatte auf der Karte gesehen, dass es einen schmalen Pfad gab, der direkt den Berg hochführen sollte. Am Ende stellte sich sogar heraus, dass dies der ursprüngliche Camino war – also nichtmal eine Abkürzung – auch wenn das Buch mich heute ein weiteres, dieses Mal auf sehr kritische Weise in die Irre führen sollte, stapfte ich los und freute mich über diese Alternative – schließlich wusste ich davon ja noch nichts.
Oben angekommen – der Anstieg war doch recht anspruchsvoll – ging es die Straße entlang … nach wenigen Hundert Metern wurde ich mit einem wunderschönen Ausblick für meinen frühen Start belohnt.
Der Weg verlief bis zum nächsten Ort weitestgehend an der Straße entlang – ich war froh, dass so wenig los war … es war auch wieder wie die letzten Tage – keine Tavernen oder Cafés, wo man hätte frühstücken können. Die Orte sind so klein, dass die Läden entweder dicht gemacht haben oder gleich gar nichts existierte.
Heute also wieder kein Frühstück. Ich lief bis ins 10 km entfernte Lluarca. Dies ist eine kleine Hafenstadt, die in einer Kleinen Bucht liegt. Der Abstieg verlief relativ problemlos, da ich nur Treppenstufen hatte – das läuft sich grundsätzlich besser als einen schrägen Berg hinunter. Lluarca erreicht ich nach knapp zwei Stunden – überhaupt lief es sich heute deutlich besser, als die letzten Tage … wären da nicht die Probleme mit meinem linken Fuß, könnte ich viel weitere Strecken am Stück laufen.
Kurz vor Lluarca entdeckte ich einen Bäckerlieferwagen. Die Menschen hängen hier Stoffbeutel an ihre Haustür und früh kommt der Bäcker und packt da frisches Brot rein. Es scheint sogar das Geld in dem Beutel drin zu sein. Jedenfalls sprach ich den Fahrer an und fragte ihn, ob er mir etwas Brot verkaufen könnte. Ich hatte mittlerweile echt ein Loch im Bauch und keinerlei Vorräte mehr. Er gab mir ein kleines Brot und ich konnte endlich eine Kleinigkeit essen. Das machte den Weg doch gleich viel einfacher. In Lluarca fand ich dann auch ein kleines Café und konnte mich mit einem Kaffee ausruhen.
Die rund 80 Meter die ich nach Llurca hinunter steigen musste, galt es nun auch wieder auf der anderen Seite hochzuklettern. Zuerst über eine steile Treppe und zum Schluss ging es noch eine steile Serpentine hoch. Im Buch stand was von einem sanfteren Anstieg – am Arsch – manchmal glaub ich der Autor war hier gar nicht … der Blick über Lluarca war jedenfalls nochmal sehr schön. Ich stand einige Minuten da, genoss Ausblick und Sonne und danach ging es wieder ins Landesinnere – ab hier blieb es weitestgehend flach …
Die Kilometer flogen nur so vorbei – ich kam wirklich gut voran und da es wenig Infrastruktur gab, hatte ich auch nur wenige Gründe anzuhalten – außer um mich auszuruhen.
Ich entschied, dass ich nicht schon in Piñera stoppte, sondern weiter bis nach Navia gehen wollte. Das waren rund 8 km mehr Strecke. Gegen Mittag erreichte ich ein Waldstück, dass entlang einer Autobahn lag. Auf meiner Karte war eine Alternative für den Camino eingezeichnet, die in der Regel zumeist etwas schöner waren. Ich folgte der also Karte – es ging sehr steil abwärts in den Wald – ich lief nun links der Autobahn aber sah keinen Abzweig – ein neuerlicher Blick auf meine Karte offenbarte dass ich schon vorbei war – aber da war nichts! Ich ging zurück zu der Stelle wo der Abzweig sein sollte – und entdeckte nur einen Entwässerungsschacht für die Autobahn, der unter der Straße entlang führte.
Da ich keine Lust hatte den ganzen Weg zurückzugehen und der Weg eingezeichnet war, musste es auf der anderen Seite schließlich auch einen Weg geben. Ich kletterte zu dem Schacht runter und blickte durch – er war ungefähr 100 Meter lang , knapp 1,5 Meter hoch und dunkel … sehr dunkel. Ich kramte meine Taschenlampe raus (endlich konnte ich sie nutzen) und stapfte los – die größte Angst hatte ich davor, dass hier irgendwo Ratten oder andere Tiere waren – das war zum Glück aber nicht der Fall. Ich kam gut durch und schöpfte schon Hoffnung … doch dann sah ich, Dass auf der anderen Seite erst einmal nur ein tiefes Wasserloch war – ich rutschte fast aus, konnte mich aber fangen und kam da ohne größere Schäden durch – nass wurde ich auch nur ein bisschen. Der größere Mist kam jetzt erst – es gab keinen Weg (mehr). Das ganze Areal war dicht bewachsen. Hecken, Gestrüpp, und mit Dornen übersähte Bodendecker. Ich hätte heulen können – aber was soll’s – ich kämpfte mich ca. 150m durch Dickicht, Dornen und dichtestes Gestrüpp bis ich völlig zerkratzt und voller Dornen zurück auf dem eigentlichen Weg war. Gut dass es keine Kontaktdaten im Buch gab … ich war in Anruflaune!!! Ich befreite mich von den Pflanzenresten, die ich eingesammelt hatte und setzte meine Weg etwas lädiert fort. Zum Glück hatte ich lange Hosen an!
Gegen 14 Uhr erreichte ich Villapedre – hier gab es eine Bar, die auch geöffnet hatte – es gab ein belegtes Brötchen und eine große Wasserflasche – meine Wasservorräte waren nämlich zwei km zuvor mittlerweile auch zur Neige gegangen. Ich trank, aß und füllte mit dem Rest Wasser meinen Wasserschlauch. Dann ging es weiter. Der nächste Ort war Piñera – die Herberge dort war an der Hauptstraße – meine Entscheidung weiter nach Navia zu gehen erwies sich als doppelt richtig. Nach Navia waren es nur noch rund 8 km. Der Weg verlief wieder weitestgehend über asphaltierte Nebenstraßen bzw. über Feldwege und gegen 16:30 Uhr erreichte ich schließlich mein Ziel. Mein „Tacho“ zeigte mir eine Wegstrecke von rund 31 km an – ich war 8 Stunden gelaufen und ziemlich müde.
Die Herberge lag wenige hundert Meter hinter dem Ortseingang – mit den selben dünnen Gummimatten 🙄. Ich stockte meine Vorräte auf, aß etwas und ging dann zeitig ins Bett. Morgen steht Tapia de Casariego auf dem Plan. Die Herberge hat zu – daher werde ich mir ein Hotelzimmer gönnen. Es ist auch der vorletzte Küstenabschnitt – wenn ich am Sonntag Ribadeo erreiche, verlasse ich die Küste und gehe ins Landesinnere.
Fazit:
- Diese Gummimatten sind Gift für meinen Rücken – Ich sehne mich nach meinem Bett!
- Nur noch zwei Tage Küste
- Das Training bekommt mir gut – nur meine Füße brauchen noch etwas öfter Pause
- Mein Buch hat mich das erste Mal richtig gefährlich in die Irre geführt nur noch 221km – übermorgen erreiche ich Galizien!!
- Mir geht es richtig gut – irgendwie vermisse ich nur sehr wenig