Kaum zu glauben – es sind nur noch 13,5 km bis Santiago … es ist so surreal – ich bin fast 300 km gelaufen in 12 Tagen – habe wahnsinnig schöne Ecken in zwei unterschiedlichen Ländern gesehen, Leute getroffen und erreiche morgen Vormittag Santiago de Compostela – das Ziel aller christlichen Pilger (und sonstigen verrückten).
Als ich heute morgen loslief, zeigte der Richtungsstein noch 32 km an. Mein Ziel war es heute Padrón zu durchqueren und eine Albergue zu erreichen, die zwischen der Etappe von Padron nach Santiago liegt. Ich wollte Santiago am 12. Etappen Tag im Laufe des frühen Vormittags erreichen.
Ich bin wieder früh aufgebrochen, weil ich diesmal alleine gehen wollte und so sicher war, das eventuelle Begleiter noch schliefen. Auch heute nieselte es leicht, das störte mich aber überhaupt nicht – es ist auch bemerkenswert, wie sehr man sich von anderen anstecken lässt. So lange es nicht richtig regnete, war mir das Wetter eigentlich egal. Für richtigen Regen war ich nicht richtig ausgerüstet, aber dieses Wetter war sogar eher angenehm und lies mich konstant laufen, ohne wegen der Hitze ständig Pause machen zu müssen.
Der Weg verlief wieder über weite Strecken durch Wälder und über alte Pfade. Ich empfand das ausgesprochen schön und genoss die Ruhe, die nur durch Vogelgezwitscher oder das Rauschen des Flusses durchbrochen wurde, der irgendwo tiefer durch den Wald floss.
Ein weiterer Vorteil des alleine Laufens war auch, dass ich mich mit meiner Geschwindigkeit nicht an andere anpassen musste. Da ich genug Zeit hatte, trottete ich einfach so vor mich hin und ließ meine Gedanken schweifen.
Gegen 9:30 Uhr erreichte ich dann Padron. Das ist eine eigentlich recht kleine Stadt südlich von Santiago und ich hatte gehört, dass es eine recht hübsche Stadt sein soll – klammert man die langgezogenen und völlig hässlichen Bereiche vor dem Zentrum mal aus, stimmt das auch … es ist, als ob man um eine hübsche, mittelalterliche Stadt eine hässliche Stadt der Siebziger gebaut hat – quasi wie im Belagerungszustand.
Ich suchte mir erstmal eine Möglichkeit etwas zu frühstücken und ruhte mich etwas aus. Nach dem Frühstück erkundete ich etwas die Stadt und fand eine kleine Kirche, in die ich mich begab. Ein wirklich schöner Bau, in dem ich eine ganze Weile verbrachte und mich wieder meinen Gedanken hingab.
Etwa eine halbe Stunde später brach ich dann auf um die letzten km des heutigen Tages zurückzulegen. Es sollte nun leicht bergauf gehen, aber das störte mich überhaupt nicht mehr – zumal der Abstieg nicht tragisch war.
Nachdem ich die letzten Vororte von Padron hinter mir gelassen hatte, ging es wieder durch waldige Abschnitte und immer mal wieder durch Siedlungen, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen.
Der restliche Weg war nicht mehr weit. Ich hatte nur noch rund 10 km zurückzulegen, die mir auch relativ leicht vielen. Ich erreichte meine Herberge daher bereits gegen 13:30 Uhr und quartierte mich ein.
Der Letzte Stein, den ich passierte, zeigte mit nur noch eine Entfernung von rund 13,5 km – eine Wegstrecke, die ich vermutlich in 2,5 Stunden zurücklegen werde. Ich werde morgen daher wohl zwischen 8 und 9 Uhr Santiago erreichen. Und ich bin echt aufgeregt!
Mein Fazit heute:
- Es waren nur 23 km heute.
- Es war wieder ein Tag an dem ich emotionale Höhen und Tiefen hatte
- Ich weiß nicht ob ich nach dem Weg erleuchtet bin – wer weiß das schon – aber ich weiß, dass ich etwas erreicht habe auf das ich stolz sein darf
- Ich glaube der Weg hat mir zwei wichtige Erkenntnisse gegeben (die ich aber mal noch für mich behalte)
- Ich bin froh – und ein kleines bisschen traurig, dass dieses Abenteuer schon vorbei sein soll …
- ich freue mich riesig auf meinen Hühnerstall!
- Eine Erkenntnis darf ich verraten: Ich liebe meine Familie über alles und bin froh, dass ich sie habe – das ist für mich mein wertvollstes Geschenk!