Tag 5 – 3. Etappe – Viana do Castelo

Nach einem gefühlt langen Tag und netten Abend mit zwei anderen Pilgern hatte ich eine unruhige Nacht hinter mir. Einer meiner Zimmergenossen war der Ansicht, dass es eine gute Idee ist ganze Wälder in Schlaf zu roden – da haben nicht mal Ohrstöpsel geholfen.

Um 6 Uhr hatte ich genug. Mit gepacktem Rucksack habe ich mich aufbauen Weg gemacht. Mein Ziel – mit dem Bus bis Marhinas und dann zu Fuß weiter – quasi die 7,6 km überspringen, die wir gestern nicht geschafft hatten.

Ich wollte wieder alleine laufen – wenn Gesellschaft auch nett ist und die Zeit verkürzt, so lenkt sie doch ab und man ist nicht mehr so frei in der Wahl der Route und Pausen.

Da Montag war, war es auch erheblich einfacher ein Frühstück aufzutreiben – der Weg bis Esposende war ziemlich öde. Vorbei an Tankstellen, Bushaltestellen und über die Landstraße musste ich den Fluss überqueren – konnte also nicht ausweichen.

Bushaltestellen – da war doch was als ich endlich in Esposende angekommen war, begab ich mich an eben solche und war auf der Suche nach einer Linie mit einer nahegelegenen Haltestelle, die sich nicht so nach schummeln anfühlte. Während ich also Karten und Haltepunkte wälzte kam ein Bus nach Castelo – einsteigen und in einer Stunde wäre ich da – ich zögerte – der Bus fuhr ab und das war gut! Ich entschied mich den Weg komplett zu laufen – laut Karte wars ja nicht so weit und langsam kam ich ins Training.

Also lief ich los – die Strecke war diesmal eher urban – keine schönen Holzstege – ein Hyggehotel und der Blick auf den Hafen und die Festung. Das wars. Ich wusste, die Pfeile, die den Weh kennzeichneten würden mich ins Landesinnere führen – das wollte ich nicht.

Ich entschied mich an der Küste zu bleiben und fand auch bald einen neuen Holzsteg, der wohl den alternativen Weg entlang der Küste nutzbar machen soll – nur befand er sich noch weitestgehend im Bau – nach rund 2 km war Schluss und ich musste über Sandwege, Feldwege und sehr unebene Pflastersteinstraßen laufen. Das ganze erwies sich als sehr anstrengend und schmerzhaft für die Füße.

Es stellten sich zwei Probleme ein, die ich nicht bedacht hatte:

1. ich war hier weitestgehend alleine unterwegs

2. mir ging langsam das Wasser aus und es gab im Umkreis von 5 km keine Siedlung – geschweige denn Einkaufsmöglichkeiten.

Also blieb mir nichts als weiter zu laufen und auf einen Campingplatz zuzusteuern. Nach circa zwei weiteren Stunden durch unwegsames Gelände, Sandwege und in völliger Einsamkeit erreichte ich dann den Campingplatz. Es gab dort nur leider nichts zum einkaufen.

Ich konnte meine Wasserflasche notdürftig mit Leitungswasser füllen und musste unverrichteter Dinge die nächste Siedlung ansteuern.

im Reiseführer war in der nächsten Siedlung eine bekannte Taverne ausgewiesen die für Pilger wohl ein relevanter Zielpunkt. Es ging durch eine Siedlung, bergauf an verwitterten Schildern vorbei und endlich bog ich um die Kurve u d könnte das Gebäude schon sehen.

Umso enttäuschter war ich, als ich gesehen habe, dass der Tavernenbesitzer offensichtlich aufgegeben hatte und das Gebäude zum Verkauf stand. Ich erinnerte mich an ein Lagerfeuer Lied das ich immer mal wieder gerne gesungen habe und das von der Reise dreier Freunde erzählt.

Es geht in etwa so:

Laaatsch laaatsch, die Wiese ist grün …

Laaatsch laaatsch, dieWiese ist grün …

Laaatsch laaatsch, die Wiese ist grün …

Oh die Wiese ist grün, Laatsch laaatsch

Die Freunde wandern eine Weile und merken es wird heiß und der Weg zieht sich.

Laaatsch laaatsch, die Sonne brennt heiß …

Laaatsch laaatsch, die Sonne brennt heiß …

Laaatsch laaatsch, die Sonne brennt heiß …

Oh die Sonne brennt heiß, laaatsch latsch

Da erblicken die Freunde in der Ferne eine Kneipe:

Laaatsch laaatsch, ne Kneipe in Sicht …

Laaatsch laaatsch, ne Kneipe in Sicht …

Laaatsch laaatsch, ne Kneipe in Sicht …

Oh ja ne Kneipe in Sicht, Laaatsch laaatsch

Und dann:

Laaatsch laaatsch, die Kneipe hat zu…

Und so weiter und so fort …

Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals in diesem Lied wiederfinden würde.

Im Schatten sitzend habe ich meine malträtierten Füße erholt und darüber nachgedacht wie ich jetzt weitermachen. Ich wusste, dass es einen Fluss gibt, den ich überqueren musste und nur sehr wenige Brücken in der Nähe. Auf der Karte hatte ich etwas entdeckt, dass wie eine Brücke aussah und machte mich auf den Weg.

Also machte ich mich auf den Weg in die vermeintliche richtige Richtung nur um festzustellen dass ich im Kreis gelaufen war. Ich befand mich wieder am Ausgangspunkt des Ortes und musste den Berg wieder hoch laufen. Oben befand sich eine kleine Taverne in die ich hineinging um meine Wasservorräte aufzufüllen.

Ich guck du mir noch mal die Karte an, vergewisserte mich bei den Einheimischen das es tatsächlich eine Brücke gibt und ich keinen Umweg von 7 km laufen muss und machte mich schließlich auf den Weg.

Nach 2 km erreichte ich dann den Fluss und versteckt eine schmale Steinbrücke, die mir in diesem Moment wie das schönste Bauwerk der Welt vorkam.

Jetzt hatte ich wieder die Wahl, mich entweder den offiziellen Camino anzuschließen, oder Richtung Küste abzubiegen.

Ich entschied mich für den Küstenweg. Ich wusste dass es ungefähr 5 km waren, bis ich die Küste wieder erreiche, aber das war’s mir wert.

Durch absolutes Niemandsland vorbei an Ruinen erreichte ich letztendlich die Küste.

Inzwischen hatte ich Pedra Alta erreicht und sogar einen Briefkasten entdeckt.

Es war mittlerweile nach 13:00 Uhr also entschied ich mich dazu im nahegelegenen Fischrestaurant Rast zu machen, Karten zu schreiben und eine Kleinigkeit zu essen.

Auch wenn ich seit 7:00 Uhr nichts mehr gegessen hatte, hatte ich nicht viel Hunger. Eine Suppe und etwas Salat sollten reichen. Dennoch war es faszinierend zu sehen, wie der Koch in der offenen Küche Hummer verarbeitete, Fisch zubereitete und dass alles offensichtlich ganz frisch war.

Von hier aus wollte ich die letzte Etappe auf mich nehmen. Nach intensiven Karten Studium hatte ich eine Route ausgemacht, die mir sinnvoll erschien. Wie sehr sollte ich mich doch täuschen.

Die letzten 15 km stellten sich als die schwierigsten heraus. Ich musst du durch unwegsames Gelände, Sanddünen, und mehrere km entlang der Küste laufen, weil es weder Straßen, noch sonstige Wege gab, über die ich mein Ziel ohne riesige Umwege nehmen zu müssen, hätte erreichen können.

Mein Entfernungsmesser zeigte mittlerweile 29 km Gesamtstrecke an und meine Füße beschwerten sich fürchterlich. Zu allem Überfluss musste ich auch noch einen kleinen Strom überqueren mit meinem gesamten Gepäck. Trotz größter Mühe konnte ich es nicht verhindern nicht zumindest teilweise mit meinen Schuhen im Wasser zu landen. Hier zeigt sich wieder wie wichtig gute Schuhe sind.

Endlich erreiche ich den angepeilten Campingplatz und somit auch Viana do Costelo.

Und trotzdem waren es von hier noch 5 km bis zu meinem Hotel. Ich hatte einen Zustand erreicht, den man nur noch trotzig beschreiben konnte. Eigentlich hatte ich keine Lust mehr auch nur noch 1m zu laufen. Aber was blieb mir anderes übrig?

Endlich erreichte ich die große Brücke die von Eiffel entworfen und gebaut wurde. Die Überquerung war anstrengend, unangenehm und sehr ermüdend.

Nach fast 10 Stunden erreichte ich nun endlich das Hotel. Ich war müde, erschöpft, verschwitzt und wollte keinen Meter mehr laufen und war daher so froh das ich mich dazu entschieden hatte ein Hotel zu buchen, denn wie ich mittlerweile von anderen Pilgern mitbekommen hatte, waren in der Herberge bereits sämtliche Plätze vergeben.

Fazit:

Die Entfernungsangaben in den Reiseführern stimmen hinten und vorne nicht. Das ist auch nachvollziehbar, denn wenn man die richtigen Entfernung hin schreiben würde, würde das keiner mehr laufen. Ich bin heute mehr als 36 km gelaufen und ehrlich gesagt darauf ein bisschen stolz!

Meine Füße hassen mich, aber das versuche ich einfach zu ignorieren und hoffe das sie sich bis morgen wieder beruhigt haben.

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