Tag 6 – 4. Etappe – Caminha / A Guarda

Der gestrige Tag liegt mir noch in den Knochen oder besser gesagt in den Füßen – sowohl die Fersen als auch die seitlichen Muskeln tun höllisch weh beim Auftreten und wenn ich keinen Totalausfall riskieren wollte, hatte ich keine andere Wahl, als heute kürzer zu treten. Trotzdem bin ich um 6 Uhr aufgestanden, habe mit stoischer Routine meine Sachen zusammengepackt und bin erstmal frühstücken gegangen.

Mein Plan war mit der Bahn nach Afife zu fahren und dann dort auf den Camino einzusteigen und mich den anderen Pilgern anzuschließen die dann ungefähr auf der Höhe sein müssten.

Am Bahnhof angekommen musste ich feststellen, dass meine Vorstellungen von Nahverkehr nicht zu denen der Portugiesen passt. Die Züge fahren alle zwei bis vier Stunden und ich hatte den letzten gerade um 10 Minuten verpasst.

Zwei Stunden warten wollte ich eigentlich nicht. Mit Händen und Füßen habe ich versucht herauszufinden, ob nicht auch ein Bus nach Afife fährt was mir auch bejaht wurde. Da ich aber zu wenig verstand und mein englisch hier auch nicht mehr half, machte ich mich nun einfach auf die Suche nach der Busstation.

Bis ich diese mit dem dazugehörigen Bus schließlich fand, hatte sich dieser jedoch bereits ohne mich auf den Weg nach Norden gemacht.

Inzwischen war es halb zehn und ich entschied mich nun doch, ein Zugticket zu kaufen und bis Vila Praia de Ãncora zu fahren. Wenigstens kostete das nur 1,85 Euro – ein Lichtblick!

Die Zugfahrt dauerte nur 20 Minuten und als ich ankam brannte mir die Sonne bereits entgegen. Es war heiß und es wehte kaum ein Lüftchen.

Durch die Abkürzung hatte ich heute nur einen geplanten Weg von rund 12 km vor mir und fühlte mich ein wenig schäbig – aber zum Glück war ich nicht der einzige, der diesen Variante wählte. Auch andere Pilger nutzten die Bahn um sich eine kleine Pause zu gönnen oder den Weg etwas zu verkürzen – manche sind auch gleich bis Caminha gefahren.

Das wollte ich allerdings nicht. Die Strecke selbst war ziemlich eintönig und bot wenig sehenswertes – nach knapp 4 km zeigte sich aber bereits, dass meine Entscheidung meinen Weg zu verkürzen vollkommen richtig war – meine Ferse schmerzte mittlerweile höllisch und ich lief Gefahr mir einen Fersensporn zu laufen – das wäre das Ende meiner Reise. Also machte ich langsamer und hielt öfter an um zu pausieren. Außerdem versuchte ich meine Füße etwas anders zu belasten.

Das

Die Strecke war ziemlich kurz und es gab nur sehr wenig Schatten. Bald kam die Halbinsel von A Guarda in Sichtweite. Jetzt waren es nur noch rund 4 km – ein Klacks.

Aber 4 km durch sengende Hitze – auf einer endlos lang schwindenden Straße ohne jeden Schatten zur Mittagszeit sind quälend lange km, die nicht enden wollen.

ich machte auf diesen vier km öfter Pause als auf der ganzen anderen Strecke und gefühlt in jedem kleinen Laden kaufte ich mir eine neue Wasserflasche, die ich quasi auf der Stelle leer trank

Auch dieser Abschnitt verlief eher trist – auch wenn ich hier die bislang größten Eukalyptus Bäume überhaupt gesehen habe.

Gegen 13:00 erreichte ich mein Ziel – Die Albergue in Caminhas. Mit einem Stück frischen Brot und etwas Käse setzte ich mich in den Schatten, schaute aufs Wasser und überlegte mir, was ich mit dem Rest des Tages anfangen würde – die Herberge hatte noch zu, wurde aber bereits von den Brasilianern belagert, die ich in Vila do Conde getroffen hatte (sie hatten ebenfalls den Zug genommen und sind bis Caminha gefahren).

Mein Plan war es am nächsten Tag mit der Fähre nach A Guarda überzusetzen und dann bis nach Mougas zu laufen – das waren rund 24 km. Eigentlich wollte ich ja schon heute nach A Guarda laufen, um mir die 4 km Strecke von Hafen zu sparen aber ich wollte das meinen Füßen nicht so recht zumuten. Zeit war jedoch mehr als genug.

Ich kam auf die Idee mal nachzusehen, wann und wie die Fähren fahren und bekam einen Schreck als ich sah, dass die erste Fähre gegen 10 Uhr übersetzt – viel zu spät. Die Alternativen waren entweder die portugiesische Route nehmen – das wollte ich nicht oder einen 30 km Umweg nehmen – aber auch das war eigentlich keine Option. Die Empfangsdame teilte mir mit, dass die Fähren zu jeder vollen Stunde fahren, und da der Hafen nicht weit weg war und ich noch zehn Minuten Zeit hatte entschloss ich mich kurzerhand dazu mich auf den Weg zu machen. Ich hatte ja schließlich auch eine halbe Stunde Kraft getankt.

Am Hafen angekommen teilte mir Ticketverkäufer jedoch mit, dass im Moment zu wenig Wasser sei und die Fähre gar nicht fährt – na toll!

Er meinte dann, dass ich mit dem Wassertaxi übersetzen kann, wenn genug Leute zusammenkommen – und wie es der Zufall so wollte kam eine Gruppe von vier Polen just in dem Moment um die Ecke, die auch übersetzen wollten.

Also alle ab ins Boot und auf nach Spanien – ich will ja nichts sagen (doch will ich) aber unser Kapitän transportiert nicht nur Personen …

Unser Kahn hatte schon bessere Tage gesehen aber der Kapitän steuerte das Boot routiniert und flink zwischen Sandbänken und Felsen hindurch – das Wasser stand wirklich sehr tief – kein Wunder dass keine Fähre fuhr.

Nach Fünf Minuten Überfahrt betraten wir spanisches Festland …

Ich hatte mir bereits eine Route rausgesucht, wollte aber diesmal nicht der Technik vertrauen, sondern den Pilger-Pfeilen folgen, die den Weg überall markieren.

Die Route ging quasi sofort steil hinauf – etwas was ich die letzten Tage immer versucht hatte zu vermeiden … Sonne, kein Schatten und dann auch noch der Aufstieg … das schien ein toller Abschluss zu werden. Die Route bog dann jedoch bald ab und wir betraten einen historisch anmutenden Pfad, der sich durch den Wald wand.

Ehrlich gesagt hätte es so bleiben können – im kühleren Wald machte mir auch der Aufstieg nicht mehr ganz so viel aus – zumal der Boden angenehmer war zum laufen. Allerdings zeigte sich hiernach bald, dass die Spanier ein Problem mit Ihrer Umwelt haben. Die Kuppe des Hügels, den wir erklommen, war abgerodet oder sonst irgendwie geschädigt – es sah nicht sehr schön aus.

Es dauert nun nicht mehr lang, bis wir diesen Weg hinter uns ließen und A Guada erreichten. Man sieht sofort den Unterschied zwischen Portugal und Spanien. Die Städte wirken anders und um diese Zeit hat alles zu weil Siesta ist.

Endlich erreichte ich die Herberge.

Als erstes musste ich feststellen, dass wir uns zwar immer noch auf dem gleichen Breitengrad wie Lissabon befinden, die spanische Uhrzeit sich aber an Madrid orientiert – ich also wieder Synchron mit deutscher Zeit bin.

Fazit:

  • Ich bin heute weiter gelaufen als geplant und meine Füße haben gehalten – das ist gut!
  • Plane nie nach deutschen Maßstäben, wenn du im Ausland – speziell Süd-Europa bist – du könntest enttäuscht werden oder Pläne werden verworfen
  • Ich bin heute 17 km gelaufen – angefühlt haben sie sich wie 100
  • Navigieren mag effizient sein, man verpasst aber möglicherweise was – ich vertraue jetzt mehr auf die Pfeile/Markierungen
  • Plane nur soweit, wie du laufen kannst – die nächsten Abschnitte sind etwas kürzer und sollen echt was bieten!

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